Fakten gegen die Mär vom Wiederaufstieg der Atomkraft
Schon in den 1970er Jahren ebbte die Atomeuphorie ab. Immer wieder wurden Risiken erkannt. Deswegen mussten neue Atomkraftwerke (AKW) aufwändiger und damit teurer gebaut werden.
Nachdem man in den 1960er Jahren den Bau vieler AKW begonnen hatte, sank schon in der zweiten Hälfte der 1970er Jahre wegen der zunehmenden Kosten die Zahl der AKW-Aufträge. Der Unfall von Harrisburg im März 1979, die Katastrophen von Tschernobyl im April 1986 und Fukushima im März 11 führten dann weltweit zum Niedergang der AKW-Aufträge.
Dennoch versucht die Atomindustrie mit ständig neuen Kampagnen die Atomlaune anzufachen. In den 1970er Jahren tönte sie: Kernenergie oder die Lichter gehen aus. In den 1980er Jahren lautete die Propaganda: Kernenergie oder Waldsterben. Und seit den 1990er Jahren heißt es: Kernenergie oder Klimakatastrophe. Diese letzte Falschbehauptung wird uns noch einige Zeit fordern. Pikant dabei: Der größte Klimavergifter in Europa ist das RWE. Aus vielen Braunkohlekraftwerken bläst RWE am meisten CO2 in den Himmel.
Leiser ist die Propaganda mit den Arbeitsplätzen in der Atomindustrie geworden. Und nur noch selten wird dreist behauptet, die AKW bräuchte es für die Versorgungssicherheit.
Die Atomindustrie und ihre Politiker haben in den letzten Jahren das Laufenlassen der AKW auch mit der Falschbehauptung gefordert, dass die ganze Welt Atomkraftwerke baue.
Die Statistiken der Internationalen Atomenergieorganisation widerlegen dies http://www.iaea.org/pris/ www.world-nuclear.org/info/reactors.html (etwas abweichende Zahlen)
1993: 417 in Betrieb und 70 im Bau
1999: 440 in Betrieb und 36 im Bau
2002: 438 in Betrieb und 36 im Bau
6.2.18: 449* in Betrieb und 56** im Bau
* darunter ca. 35, die in Japan stillstehen. Viele hiervon werden vermutlich nie wieder in Betrieb gehen. ** dabei AKW in der Ukraine, Südkorea, Taiwan und Japan die nicht fertig gebaut werden.
Weltweit wurden in den 1980er Jahren 20 – 30 Reaktoren Jahr für Jahr in Betrieb genommen. Im Jahr 2000 noch sechs, in 2011 sieben und im Jahr 2017 vier. Wahrlich kein Wiederaufstieg! Gegenwärtig sind weltweit insgesamt 56 Reaktoren im Bau. Zum Vergleich: Im Jahr 1979 waren 233 Reaktoren im Bau. Schlimm jedoch die Entwicklung im sich kommunistisch nennenden China. Dort sind Ende 2017 immerhin 18 AKW im Bau.
Auch die Produktion von Atomstrom stagniert
Im Jahr 2000 wurden weltweit 2.444 Milliarden Kilowattstunden (=Terawattstunden, TWh) Atomstrom erzeugt. Im Jahr 2010: 2.630 TWh. Im Jahr 2016 dann wieder „nur“ 2.476 TWh.
Arbeitsplätze
Wegen der Gefährlichkeit der Radioaktivität müssen Kernkraftwerke extrem automatisiert sein. In einem Reaktor arbeiten knapp 400 Menschen. Sieben Reaktoren laufen noch in unserem Land. Auch externe Mitarbeiter und Zulieferer eingerechnet, bietet Deutschlands Atombranche etwa 10.000 Arbeitsplätze. In der Windbranche waren es in der Spitze 150.000. In der PV-Branche gab es im Jahr 2012 in Deutschland 100.000 Arbeitsplätze. Nachdem die Regierenden den PV-Zubau massiv um über 70 Prozent abgesenkt und asiatische Länder die PV-Industrie stark gefördert haben, haben wir innerhalb von drei Jahren etwa 60.000 Arbeitsplätze in der PV-Branche verloren. Mehr als die Atomindustrie je hatte. Seit 2017 werden wegen des Abbremsens des Windkraftausbaus Arbeitsplätze in der deutschen Windbranche abgebaut.
[2005 schrieben wir]: „Nach einem Großunfall? Am meisten beeinträchtigen die Folgen eines großen Atomunfalls die Versorgungssicherheit. Denn ein Atomgroßunfall, auch ein durch Terroranschlag ausgelöster, kann zu Evakuierungen selbst in 100 km Entfernung zwingen. Man stelle sich das in unseren dicht bevölkerten Ländern vor. Dann würde in allen demokratisch verfaßten Ländern der Druck riesig, sofort abzuschalten. 2011 hat uns der Großunfall in Fukushima bestätigt.
Neue AKW in Polen, Tschechien oder der Ukraine?
Das ist wahrlich keine Alternative! Wir müssen auf eine Regulierung auch des Stromhandels drängen. Waren, die zu Dumpingpreisen oder die unsozial (Kinderarbeit) hergestellt werden, müssen vom Verkauf ausgeschlossen werden. Und genauso muss der Import von Strom aus nicht ausreichend versicherten AKW verboten werden. Bis heute haben Russland und die Ukraine keinen Schadenersatz für die Schäden des Reaktorgroßunfalls von Tschernobyl gezahlt. Auch bei uns mussten Ernten „vernichtet“ werden. Stromimport aus Atomländern (Frankreich, Schweiz, Tschechien) muß verboten werden! In den Kommunen sollten wir nur noch Konzessionsverträge mit Stromlieferanten abschließen, die keinen (auch keinen importierten) Atomstrom verkaufen. Aber zur Klarstellung: Seit vielen Jahren ist Deutschland Stromnettoexporteur. 2017 haben wir 54 Milliarden kWh Strom mehr aus- als eingeführt. Das entspricht der Jahresproduktion von 5 Atomreaktoren (7 laufen noch in Deutschland).
Klimaschutz
Zum Schutz des Klimas müssen und können wir alte Braunkohlekraftwerke abschalten. Immer mehr Solar- und Windanlagen verbunden mit Lastmanagement, Stromnetzumbau und Speicheraufbau machen es möglich. Planmäßig können wir uns bis 2030 zu nahezu 100 Prozent mit Strom aus Erneuerbaren Energien versorgen. Auch beim Gebäudeheizen sowie im Auto- und Luftverkehr können und müssen wir CO2 sparen und auf Erneuerbare Energien umstellen.
Wie viele AKW-Reaktoren weltweit den Betrieb oder Bau beginnen und beenden
1970 | 1980 | 1990 | 2000 | 2010 | 2011 | 2015 | 2016 | 2017 | 2018 | |
Betriebsstart | 6 | 21 | 10 | 6 | 5 | 7 | ***10 | ****10 | 4 | 1 |
Baubeginn | 37 | 20 | 5 | 7 | 16 | 4 | 8 | 3 | 3 | |
Betriebsende | 3 | 1 | **13 | 7 | 4 | 5 | ||||
In Betrieb* | 84 | 245 | 416 | 435 | 441 | 437 | 440 | 448 | 448 | 449 |
Quelle: IAEA PRIS *Tw. wurden Zahlen nachträglich verändert. Baustellen werden wieder aufgegeben, Reaktoren nach langem Stillstand wieder in Betrieb genommen oder der Betriebsstatus geändert **10 – ca. 30 weitere Reaktoren in Japan sind de facto stillgelegt. ***davon 8 in China ****davon 5 in China.
Mehr PV + Windkraft, Atomkraft-Stagnation (weltweite Kapazitätsveränderungen in GW)
2000 | 2005 | 2010 | 2011 | 2012 | 2013 | 2014 | 2015 | 2016 | 2017 | 2018 | |
Atom | +1,7 | +2,7 | +3,6 | –7,4 | +1,6 | -1,4 | +4,1 | +5,5 | +7,4 | +0,3 | |
Bestand1 | 350 | 368 | 375 | 369** | 371 | 370 | 374 | 380 | 388 | 392 | |
Solar | 0,3 | 1,5 | 15,3 | 30 | 32 | 40 | 38 | 57 | 75 | >100* | |
Bestand | 1,1 | 5,2 | 38 | 68 | 100 | 140 | 177 | 228 | 303 | >400* | |
Wind | 3,8 | 11,5 | 39 | 41 | 45 | 36 | 52 | 63 | 55 | 50* | |
Bestand | 17,4 | 59 | 198 | 238 | 283 | 318 | 370 | 433 | 487 | 537* |
Quellen: IAEA, GWEC, WWEA, RENEWABLES 2017 GLOBAL STATUS REPORT 1Summenabweichungen durch Wiederinbetriebnahmen und Änderungen des Betriebsstatus *geschätzt **darin (auch in den Folgejahren) rd.30 GW, die in Japan seit 2011 abgeschaltet sind. Nur wenige hiervon werden voraussichtlich wieder in Betrieb gehen.
Immer mehr Länder praktizieren oder beschließen den Atomausstieg: Belgien, Dänemark, Italien, Niederlande, Österreich, Schweden, Schweiz, Spanien, Südkorea, Taiwan, … Auch in den Atomländern Frankreich und USA schrumpft die Atomstromproduktion. Alte AKW werden abgeschaltet. Weltweit wird heute weniger Atomstrom produziert als vor zehn Jahren.
Fehlerhinweise oder Verbesserungsvorschläge bitte an: r.Kamm@anti-akw.de Danke!