Diese Atomgenehmigungen verletzten unsere Rechte.
Gemeinsam gegen Süddeutschlands größte GefahrFünf Nachbarn beantragen die Aufhebung der Genehmigung des Zwischenlagers Gundremmingen. Deutschlands mitgliederstärkste AntiAKW-Bürgerinitiative „FORUM Gemeinsam gegen das Zwischenlager und für eine verantwortbare Energiepolitik e.V.“ trägt das Verfahren. Zugleich gehen weitere Nachbarn zusammen mit Greenpeace mit einem Antrag auf Widerruf der Betriebsgenehmigung des AKW Gundremmingen gegen die Bedrohungen durch Deutschlands gefährlichstes Atomkraftwerk und gegen Deutschlands größte Atommüllproduktion vor.
0. Empörendes Schachspiel und zu geringes Gefahrenbewusstsein
Wer sich bewußt macht, dass in nur einem Castor etwa so viel langdauernde Radioaktivität enthalten ist, wie in Tschernobyl insgesamt freigesetzt wurde, bekommt eine Ahnung, wie groß die Gefahren auch der Zwischenlager sind. Unsere Gesetze bieten allerdings nur einen unzulänglichen Schutz. Sie sind von dem perversen Gedanken durchdrungen, welchen Schutzaufwand man den Betreibern der Atomanlagen zumuten kann. Insofern ist das juristische Vorgehen gegen Atomanlagen ein normale Menschen empörendes Schachspiel.
Bisher ahnen trotz Tschernobyl, trotz Fukushima noch zu wenige Bürger, welche ungeheuren Gefahren in den AKW und den Zwischenlagern (ZL) schlummern. „Muß denn hier erst ein Unfall oder Anschlag geschehen?“ Können wir die Gefahren nicht durch Nachdenken und Handeln abwenden?
I. Zwischenlager Gundremmingen
Dem AKW Gundremmingen und seinen beiden Eigentümern RWE (75%) und EON (heute PreussenElektra; 25%) wurde im Dezember 2003 genehmigt, 192 Castoren im ZL abzustellen. Diese Genehmigung gilt ab dem ersten Tag der Einlagerung (25. August 2006) 40 Jahre. Also bis zum 24. August 2046. Im Sommer 2017 stehen 51 Castoren im ZL.
Das Lager in Gundremmingen wurde nur mit etwa halb so dicker Decke und auch erheblich dünneren Wänden gebaut wie die ZL an den AKW in Norddeutschland.
Unser Antrag
Da die Genehmigung wegen offensichtlicher Ermittlungs- und Bewertungsfehler rechtswidrig ist, ist sie aufzuheben!
Die Rechte der Antragsteller sind verletzt, weil in vielen zu befürchtenden Fällen es zur Freisetzung von Radioaktivität kommt, die diese zwischen vier und elf Kilometer vom ZL lebenden Nachbarn gefährdet. Damit wird ihr Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit beeinträchtigt.
Neue Beurteilung ist rechtlich zulässig und sachlich geboten.
Die rechtliche Bestandskraft der Genehmigung des ZL verhindert in atomrechtlichen Fällen nicht die Neubewertung, wenn Ermittlungs- und Bewertungsfehler des Genehmigungsverfahrens nachträglich offenbar werden. Oder wenn neue Tatsachen bekannt werden. Wegen der außerordentlichen Gefahren von Atomanlagen hat das Bundesverfassungsgericht für Recht erkannt, dass im Atomrecht neue Erkenntnisse auch zu neuen Prüfungen zwingen.
Hinzu kommt eine wahnwitzige schleichende Nutzungsänderung im ZL Gundremmingen: Es wird zu einem Dauerlager. Dies wurde bei den derzeitigen Beratungen der vom Bundestag eingesetzten Endlagerkommission als unvermeidbar dargestellt. Eine Räumung der ZL sei frühestens in 60 – 100 Jahren zu erwarten.
Ermittlungs- und Bewertungsfehler
Der Fall eines gezielten Flugzeugabsturzes wurde in einem früheren Verfahren vom VGH München in die Kategorie ‚Restrisiko‘ eingeordnet. Was nur geringe Prüfungen und geringe juristische Folgen hat. Unter Restrisiko werden Fälle sortiert, die extrem unwahrscheinlich sind. Diese sind dann auch nicht „drittschützend“, was heißt, dass Dritte (juristisch geht es um die Antragsteller als erste und die den Staat vertretene Genehmigungsbehörde als zweite) keinen Schutz für solche Fälle verlangen können.
Richtig wäre die Einordnung in die Kategorie ‚Schadensvorsorge‘. Dann ist die Absicherung gegen derartige Vorfälle auch „drittschützend“ und es muss geprüft werden, was bei einem gezielten Flugzeugabsturz für Folgen einzukalkulieren sind. So müssen auch die Folgen eines Absturzes mit neuen Flugzeugen wie dem A380 berücksichtigt werden. Im Brunsbüttel-Verfahren hat das beklagte Bundesamt für Strahlenschutz mündlich vorgetragen, dass die Auswirkungen des Absturzes eines Airbus A380 gegenüber einem Airbus A340 überschlägig um den Faktor 560 größer seien.
Auch wurden bei den Überlegungen, was bei einem Flugzeugabsturz passieren kann, zu geringe Treibstoffmengen („thermische Lastannahmen“) einkalkuliert, die bei einem Absturz in das ZL gelangen und dort verbrennen können. Brände können zum Versagen der Castordichtungen führen.
Bei der Prüfung des Szenarios Angriff mit panzerbrechenden Waffen wurden weder längst verfügbare schlimmere Waffen noch selbstmörderisches Täterverhalten einkalkuliert.
Auch muss das Szenario des Einschlags eines bewaffneten Militärflugzeugs berücksichtigt werden.
Doch das Bundesverwaltungsgericht hat mittlerweile in anderen Verfahren entschieden, dass der gezielte Flugzeugabsturz der Kategorie ‚Schadensvorsorge‘ mit ihren wesentlich weniger schlechten Schutzbestimmungen zuzuordnen ist.
Für die Menschen in der das ZL umgebenden Region, also der Raum zwischen etwa Stuttgart im Westen und München im Osten sowie dem Bodensee im Süden und Würzburg / Nürnberg im Norden ist unbekannt, welche Gefährdungsannahmen dem kürzlich erfolgten Bau der Atomschutzmauern an den Längsseiten des ZL zu Grunde liegen. Und ob diese Maßnahmen ausreichend schützen. Um dies zu klären, haben einige Nachbarn Einwendungen im Genehmigungsverfahren dieser Atomschutzmauern gemacht.
Falsche Eingreifrichtwerte zu Grunde gelegt
Die Behörde hat bisher nur die Eingreifrichtwerte – also die Werte für die Strahlenbelastung, bei denen der Staat eingreifen muss – angelegt, die für eine Evakuierung gelten. Nicht aber die, die für eine Umsiedlung entscheidend sind.
Praktisch bedeutet dies, dass man nur einen Schutz bis zu einer Strahlenbelastung vorsieht, die zu einer Evakuierung zwingen. Das sind 100 Millisievert in sieben Tagen. Wenn die Gegend geringer verstrahlt ist, so dass die Bürger diese Strahlenbelastung von 100 Millisievert erst im Zeitraum eines Jahres erleiden, sieht die Gundremminger Genehmigung die Rechte der Nachbarn nicht verletzt. Obwohl dann dennoch die Menschen umgesiedelt werden müssen.
II. AKW Gundremmingen mit den zwei Siedewasserreaktoren B und C
In Gundremmingen laufen die letzten Siedewasserreaktoren Deutschlands. Alle anderen sind stillgelegt. Siedewasserreaktoren waren im Unterschied zu den viel häufiger errichteten Druckwasserreaktoren billiger zu bauen. Sie haben aber nur einen Hauptkreislauf und der radioaktive Dampf aus dem Reaktor strömt somit durch die Turbine.
Bei Siedewasserreaktoren können, weil in der Spitze des Reaktors sich der Dampf sammelt, die Steuerstäbe nicht von oben also mit der Schwerkraft in den Reaktor gefahren werden. Sondern sie müssen von unten in den Reaktor hoch gepresst werden.
Auch werden bei den Siedewasserreaktoren die brisanten Abklingbecken nicht durch den Sicherheitsbehälter geschützt, denn sie liegen außerhalb dieses Sicherheitsbehälters.
Aus all diesen Gründen sind bereits die acht übrigen Siedewasserreaktoren in Deutschland endgültig stillgelegt.
Nirgendwo sonst in Deutschland laufen auch zwei Reaktoren an einem Standort. Bei Zwischenfällen können diese sich gegenseitig beeinträchtigen. In Gundremmingen sind laut dem Gutachten von Professor Renneberg auch die Reaktordruckbehälter falsch konstruiert. Bei einem Zwischenfall mit Druckstoß im Reaktor könnte die Druckspitze auf die Schweißnaht der Bodenkalotte treffen. Schweißnähte sind jedoch Schwachstellen.
Nach Aussagen des langjährigen GRS-Experten Dr. Manfred Mertins bei einer Tagung im April 2016 zu den Gundremminger Atomrisiken entsprechen die im Notfall wichtigen Not- und Nachkühlsysteme der Gundremminger Reaktoren nicht den geltenden Vorschriften. Was die bayerische Atomaufsicht zum Einschreiten zwingen müsse.
Hinzu kommt, dass auch die Gundremminger Reaktoren entgegen den wahrheitswidrigen Schutzbehauptungen der Betreiber keinen Nachweis haben, dass sie gezielte, Flugzeugabstürzen oder anderen vergleichbaren Anschlägen standhalten würden.
Die Umweltschutzorganisation Greenpeace will deswegen mit Nachbarn gegen die Betriebsgenehmigung des AKW Gundremmingen vorgehen. Und den Widerruf beantragen.
Fehlerhinweise oder Verbesserungsvorschläge bitte an: r.Kamm@anti-akw.de Danke!
Raimund Kamm