Infraschall

 Informationen für UmweltschützerInnen Nr. 36 erstellt: 27.12.2015 / Stand 03.04.2021

 Zuerst ein persönliches Bekenntnis: Als ich um das Jahr 2011 erstmals von Infraschall hörte, hatte ich das Wort noch nie bewußt wahrgenommen. Zuhause habe ich dann im Inter-net nachgeschaut. Schall kann man einteilen in: Hör-, Ultra und Infraschall. https://de.wikipe-dia.org/wiki/Infraschall [28.12.15] 

 Fakten zum Infraschall 

 Fast alle Schallquellen ob Auto, Wind oder Kühlschrank erzeugen Hör- und Infraschall. 

 Schall sind Druckveränderungen in der Luft. Für den Schall sind die Frequenz (Zahl der Druckveränderungen je Sekunde) sowie der Schalldruck typisch. Der Schalldruck macht die Stärke des Lauts („Lautstärke“). Die Frequenz bestimmt die Tonhöhe. 

 Niedrige Frequenzen (tiefe Töne) unter 16 bzw. 20 Hertz (Hz. 1 Hz = 1 Schwingung je Se-kunde) bezeichnet man als Infraschall. Diese können wir Menschen nur bei extremer Laut-stärke hören und körperlich spüren. 

 Lärm verursacht nicht nur Gehörschäden sondern häufig auch Herz- und Kreislauferkran-kungen. Kann also krank und sogar tot machen. Für den Infraschall heißt es, dass, solange er nicht gehört werde, der Schalldruck zu gering sei, um die Gesundheit zu schädigen. 

 Ultraschall ist kurzwellig, hat hohe Frequenzen und wird zur medizinischen Untersuchung bei-spielsweise in der Schwangerschaft eingesetzt. Infraschall ist langwellig, hat niedrige Frequen-zen und entsteht durch Wind, Meereswellen, Tiefdruckgebiete, fließendes Wasser, Autos und andere technische Geräte. Ähnlich ist es auch beim Licht. Wir sehen Licht und es gibt noch Ult-raviolett (kurzwellig) und Infrarot (langwellig). 

All die Folgejahre habe ich viele Veröffentlichungen zum Infraschall gelesen. Immer wieder ge-fragt: Bei der Atomkraft, auch beim Asbest, bei Contergan oder bei Xyladecor haben die Fir-men fürchterliche Folgen verschwiegen und die Gesellschaft hat sie übersehen. Kann uns das auch beim Infraschall von Windkraftanlagen (WKA) passieren? Haben WKA, die wir für Atom-ausstieg und Klimaschutz wollen, gefährliche Nebenwirkungen? 

Einige Ärzte wie der Bauchchirurg Reinhard Lange (Lk Pfaffenhofen/Ilm), der Osteopath Johannes Mayer (Dasing, Lk Aichach/Friedberg) oder der Allgemeinarzt Walter Tutsch (Lk Heidenheim/Brenz) behaupten große Gesundheitsgefahren durch den Infraschall von Windrädern. Und sie zitieren dann Studien hierzu. Gerade die von Frau Nina Pierpont (USA). Diese Ärztin hat im Jahr 2006 über das Internet Personen aufgerufen, sich bei ihr zu melden, wenn sie in der Nähe von Windkraftanlagen wohnen und meinen, dadurch gesundheitliche Schäden zu haben. Daraufhin hat sie mit 23 Personen telefoniert und anschließend in einem 300-seitigen Buch geschrieben, dass der Infraschall von Windrädern zu Schlafstörungen, Kopfschmerzen, Herzrasen, Reizbarkeit usw. führe. Sie behauptet, ein neues Krankheitsbild, das „Windturbinen-Syndrom“, auf Englisch „Visceral Vibrator Vestibular Disturbance“ entdeckt zu haben. http://www4.lubw.baden-wuerttemberg.de/servlet/is/229961/ 

Wissenschaft arbeitet anders. Unsere Bürgerinitiative hat Anfang der 2000er Jahre Unterschriften gesammelt, dass untersucht wird, ob ein Zusammenhang zwischen der Krebserkrankung gerade von Kindern und benachbarten Atomkraftwerken besteht. Daraufhin wurde die Kinderkrebsstudie im Auftrag des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS) erstellt und wir haben verfolgt, was Epidemiologie ist und welche Qualität wissenschaftliche Untersuchungen haben müssen. Im Vergleich können wir feststellen, dass Frau Pierpont eine viel zu kleine Stichprobe untersucht hat, diese nicht zufällig ausgewählt und auch keine Kontrollgruppe untersucht wurde. Dass Telefongespräche viel zu unsicher sind und dass die beschriebenen Krankheits-symptome nicht klar abgegrenzt und definiert sind. Viele Menschen klagen über Kopfschmer-zen oder Schlafstörungen. Dass auch dieses Vorgehen keine gültigen (validen) Aussagen über Ursache und Wirkung macht. Die Aussagen von Frau Pierpont werden im Internet tausendfach von Windkraftgegnern zitiert. Doch Wissenschaftler schütteln den Kopf über den Dilettantis-mus. 

Von ähnlicher Nichtqualität war die „Studie“ des Arztes und erklärten Windkraftgegners Johann Mayer (Dasing). Er hat 17 Anwohner der zwei Windräder in Lamerdingen befragt. Überwiegend mit ihm bekannte Gegner dieser Windkraftwerke. Nach drei Monaten Betriebszeit der WKA seien die Krankheitssymptome von elf auf 35 Prozent angestiegen, behauptete er als „Sachverständiger“ beim Verwaltungsgericht Augsburg. Die Augsburger Allgemeine druckte dies sogar ab. So arbeiten Scharlatane! Die drei Ärzte R. Lange, J. Mayer, und W. Tutsch sind zudem weder als Arbeits-/Umweltmediziner/Physiker noch als Arbeits- und Umweltepidemiologe fachkundig. 

Fachlich zuständige Ärzte sehen es anders. Der Münchner Facharzt Haiko Reuter, der auch als Betriebs- und Umweltmediziner arbeitet, weist darauf hin, dass die Autos insbesondere für die Fahrzeuginsassen aber auch die Menschen an den Straßen wesentlich höhere Schall- wie Infraschallbelastungen als Windräder verursachen. Der Arzt und Umweltreferent der Österreichischen Ärztekammer Heinz Fuchsig hat im Oktober 2015 in einer Stellungnahme erklärt: Dass nach den Daten der Weltgesundheitsorganisation (WHO) in Österreich jährlich etwa 3000 Menschen durch Luftschadstoffe und 1000 infolge Lärms sterben. Dass auch deswe-gen die Energiewende mit Wasser-, Wind- und Solarenergie enorm wichtig für die Gesundheit in Österreich ist. Wörtlich: „Derzeit sind die Regeln für Erneuerbare streng – eine Abstandsregelung für Bundesstraßen existiert nicht, obwohl Fahrzeuge wesentlich höhere Schall- und Infraschallpegel als Windräder emittieren. Stand der Wissenschaft ist, dass Infraschall unterhalb der Wahrnehmungsschwelle keine Gesundheitsschäden verursacht. Die in Österreich prakti-zierten Abstände von Windrädern und Bebauung reichen zum Schutz vor Schall und Infraschall völlig aus.“ https://www.igwindkraft.at/mmedia/download/2015.10.07/1444205288333612.pdf 

Menschen sind unterschiedlich sensibel. Denkbar, dass einzelne Menschen empfindlich für Infraschall sind. So wie auch einzelne Menschen empfindlich auf Föhn reagieren. Oder gar allergisch auf Licht. Wir wissen zudem seit den Büchern des Kommunikationswissenschaftlers Paul Watzlawick über „radikaler Konstruktivismus“, dass Wahrnehmung eine Konstruktion aus Sinnesreizen und Denken bzw. Erinnerung ist. Dass auch Interessen und Meinungen die Wahrnehmung verändert. Dass somit auch Nachbarschaftsneid oder Wohnortegoismus die „Wahrnehmung“ von Infraschall bestimmen kann. 

Grundlagen: https://www.umweltbundesamt.de/themen/verkehr-laerm/verbraucherservice-laerm/grundlagen-der-akustik 

http://www.lfu.bayern.de/laerm/index.htm 

http://www.lfu.bayern.de/umweltwissen/doc/uw_117_windkraftanlagen_infraschall_gesundheit.pdf Nov 2014 

https://www.lubw.baden-wuerttemberg.de/blog/-/blogs/windenergie-und-infraschall 

https://pudi.lubw.de/detailseite/-/publication/84558-Bericht_%C3%BCber_Ergebnisse_des_Messprojekts_2013-2015.pdf 

https://www.scinexx.de/dossierartikel/unhoerbarer-laerm/ 23.11.2016 

„Infrasound Does Not Explain Symptoms Related to Wind Turbines“ Finnland Juni 2020 

https://www.bayceer.uni-bayreuth.de/infraschall/de/windenergi/gru/html.php?id_obj=158840 

Für Verbesserungsvorschläge und begründete Meinungsbeiträge bin ich dankbar. r.Kamm@anti-akw.de Hinweis auf Doppelrolle: Ich ergreife Partei für die Energiewende und bin seit 2011 auch Mitglied im Bundesverband Windenergie. Seit 2018 Vorsitzender des Dachverbandes LEE Bayern. 

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