1 + 1 zusammenzählen: Lehren aus der Evakuierung mehrerer AKW als ein Flugzeug nicht mehr funkte
Als am Freitag (10.3.) der Funkkontakt mit einer nach London fliegenden indischen Verkehrsmaschine für rund 22 Minuten (andere Quellen sprechen von einer Stunde) über Europa verlorenging, wurde von deutschen Sicherheitsbehörden Renegade-Voralarm gegeben. Dieser wird ausgelöst, wenn befürchtet wird, dass ein ziviles Flugzeug als Waffe wie am 11.9.2001 in New York eingesetzt werden könnte. Kampfflugzeuge eskortierten daraufhin das Passagierflugzeug.
Mehrere Atomkraftwerke in Norddeutschland wurden bis auf eine Notbesatzung geräumt. Sogar das bereits stillgelegte und im sogenannten Nachbetrieb zur Sicherung des Atommülls und der AKW-Ruine befindliche Kernkraftwerk Grafenrheinfeld. Laut Augsburger Allgemeinen wurde auch im AKW Gundremmingen Alarm gegeben. Vom AKW wie auch der Münchner Aufsichtsbehörde gibt es wie üblich keine erhellenden Informationen.
Es stellen sich Fragen und es drängen sich Erkenntnisse auf:
- Atomkraftwerke wurden teilweise evakuiert. Aber nicht abgeschaltet. Da ein laufendes AKW noch ein Vielfaches gefährlicher ist als ein abgeschaltetes, müssen die Verantwortlichen erklären, wann sie das AKW bei einem Renegade-Alarm abschalten. Und wer dies anordnet? Oder ob es hier ein Kompetenz-Wirrwarr gibt?
- Große Chemiefabriken, Hochhäuser, Bahnhöfe usw. wurden nicht alarmiert oder geräumt. Dies bestätigt, wovor wir häufig gewarnt haben, Atomkraftwerke sind wegen der riesigen Energiekonzentration sowie der ungeheuren Radioaktivitätsansammlung „attraktive“ Terrorziele.
- Auch kein deutsches AKW hat je – entgegen der Schutzbehauptungen der AKW-Betreiber – den Nachweis erbracht, dass es den gezielten Anprall einer großen Verkehrsmaschine überstünde, ohne dass es zum gewaltigen Atomunfall käme.
- Selbst schon abgeschaltete Atomkraftwerke sind wegen der in den Abklingbecken wie den Zwischenlagern aufbewahrten extrem strahlenden Spaltelemente noch sehr gefährlich. Über 99 % der Radioaktivität eines AKW steckt in diesen Spaltelementen. Dieser todbringende Müll muss wesentlich sicherer verwahrt werden!
- Die Ablehnung unserer Klage gegen die Genehmigung des Gundremminger Zwischenlagers wurde vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof unter anderem damit begründet, dass ermächtigt durch das Luftsicherheitsgesetz im Ernstfall solche Passagierflugzeuge abgeschossen werden könnten. Das Bundesverfassungsgericht hat später dieses Abschießen für verfassungswidrig erklärt. Das Gericht hat jedoch noch nicht konsequenterweise festgestellt, dass auch die Atomanlagen gegen unsere Grundrechte verstoßen.
Zudem kämen Jagdflugzeuge, die im Normalfall innerhalb von höchstens 15 Minuten in der Luft sein sollten, meistens zu spät. Denn heutige Passagierflugzeuge fliegen je Minute rund 15 Kilometer. - Militärs haben schon vor Jahrzehnten gewarnt, dass ein Land mit Atomanlagen im Prinzip nicht zu verteidigen ist. Denn, wenn man diese Anlagen allein mit konventionellen Bomben oder Raketen angriffe, könnte mehr todbringende Radioaktivität entweichen, als Atomwaffen selber sie ausbreiten würden. Damals in den Zeiten des befürchteten Ost-West-Krieges hieß es jedoch, dass der Ostblock dies nicht tun würde, weil damit das zu erobernde Land unbewohnbar würde und man auch mit einer entsprechenden Vergeltung rechnen müsste.
Alles Überlegungen, die Terroristen, insbesondere Selbstmordtäter, nicht machen werden.
Unsere Bürgerinitiative hat in einem Memorandum viele ähnliche Hinweise auf die Atom-Terrorgefahr zusammengestellt. Eine ehrliche Diskussion über die von Atomanlagen ausgehenden terroristischen Gefahren ist überfällig!
Raimund Kamm